BGR-Interview im Ultrà Sankt Pauli Fanzine "Basch"

In der Februar-Ausgabe des Basch ( http://basch.blogsport.de/ ), Fanzine der Ultrà Sankt Pauli, wurde ein Interview mit uns veröffentlicht. Ohne lang drumherum zu reden, posten wir im Anschluss ganz einfach das ganze Interview. Viel Spaß beim lesen!

Eine Geschichte, die man scheinbar schon zum tausendsten Mal gehört hat ist die von der Dorf-Ultrà-Gruppe, die ein gutes Dutzend Mitglieder umfasst, sich „ULTRAS Dingsbums“ oder „Kuhdorfer Jungs“ nennt und der Welt nichts zu bieten hat. Die politische Einstellung ist so deutsch wie die Hits die der Auswärts-Ghettoblaster im Auswärtswagen verstreut.
Als gepflegtes Ultra-Mobil wird der 3er Golf gewählt und auf der Heckscheibe darf ein Hinweis auf die dicksten Eier nicht fehlen. Provinzialismus ist in der Tat kein Aushängeschild.
Das habe ich mir auch immer gedacht, als ich mit meinen Eltern früher im Urlaub in Südtirol war. Berge, Touristen und der ganze Scheiß. Alles in allem keine Grundlage für was Verwertbares.
Nun Meinungen ändern sich mit Bekanntschaften! Meine letzte Tour nach Meran in Südtirol trat ich dann voller Vorfreude an, denn ich wusste mittlerweile, auch kleine Gruppen können Stil haben, Fez machen und aus coolen Hoschis bestehen.
Seit einer Weile kenne ich nun schon die Jungs und Mädels der Meraner Ultrà-Gruppe „Brigata GialloRossa“ und ich möchte die in letzter Zeit häufigen Kontakte mal für ein Interview nutzen um dem geneigten Leser die Gruppe näher zu bringen.

Gimp: Ihr supported den „G.A. Bubi Merano“. Habe ich noch nie von gehört! Was ist das?
BGR: G.A. Bubi Merano ist eine Futsalmannschaft (Kleinfeldfußball) die 1982 gegründet wurde, u.a. durch Renzo Rossi einem ehem. Serie A Spieler. "G.A." steht dabei für Gruppo Amici (= Gruppe von Freunden). G.A. Bubi spielt zur Zeit in der nationalen Serie B. Während es bei allen anderen Mannschften in dieser Liga üblich ist Spielertalente für den sportlichen Erfolg einzukaufen, setzt G.A. Bubi ausschließlich auf Spieler aus den eigenen Reihen. Bis zum Ende der Saison 2009/10 spielte Bubi im traditionsreichen "Palamainardo" einem Stadion im Meraner Bahnhofsviertel. Durch den Aufsteig in die Serie B und neuen Regelungen durch den Ital. Fußballverband, werden die Spiele nun alle in einer Halle ausgetragen. Die Rückkehr in unser "Pala" steht aber schon in Aussicht...

Gimp: Wie viele seid ihr, werdet ihr sein?
BGR: Der Kern der BGR besteht aus ca. 20 aktiven Leuten. Insgesamt sind wir bei "normalen" Spielen konstant ca. 30-40 Personen, die sich am aktiven Tifo beteiligen, bei wichtigen Spielen manchmal auch bis zu 70. Die gesamte Zuschauerzahl variiert zwischen 200-500.
Das Ziel bis am Ende der Saison ist es, einen Fanblock mit ca. 1300 Personen aufzubauen...nö, Schwachsinn;) Die BGR hat sich inzwischen zu einer stabilen Gruppe entwickelt, viel wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Wir nehmen zwar gerne neue coole Leute auf, wobei das aber nicht im Vordergrund steht.

Gimp: Ihr habt euch 2005 zusammengefunden und seid somit eine noch recht junge Gruppe, erzählt mal kurz eure Geschichte!
BGR: Die "Brigata Giallorossa" wurde 2005 von einer Grupper Jugendlicher (zwischen 15 und 19 Jahre) gegründet, als man begann regelmäßig Spiele des Kleinfeldfußballteams G.A Bubi Merano, in der ein guter Freund spielte, zu besuchen und die Mannschaft mit aktivem Support zu unterstützen. In der Anfangszeit war alles noch relativ unorganisiert, und man durchlief mit der Gruppe manches Hoch aber leider auch manche Tiefs. Im Jahr 2007 fand ein regelrechter Umbruch statt, der BGR wurde neues Leben eingehaucht, Heim- und Auswärtsspiele wurden ab jetzt immer regelmäßig, mit 15-50 Leuten, besucht, man stand der Mannschaft in guten und schlechten Momenten mit aktivem Support zur Seite und versuchte diese immer weiter nach vorne zu peitschen. Das Verhältnis zu der Mannschaft/dem Verein verbesserte sich dadurch ständig. Die nächsten Jahre waren einfach nur "der Hammer": unglaubliche Emotionen teilten wir mit Freunden auf den Rängen und der Mannschaft auf dem Feld, viele Stunden unserere Freizeit wurden gemeinsam verbracht um an Choreos, Fahnen, Banner usw. zu arbeiten. Das bis heute "beste" Jahr war die Saison 2010/2011, in der die BGR ihren 5. Geburtstag und den Wiederaufstieg von G.A. BUBI in die SERIE B feierte.

Gimp: Seht ihr euch als Ultras?
BGR: Die BGR versucht nicht wie irgend eine große Ultrágruppe zu sein und diese zu kopieren. Wir sind zwar eine sehr kleine Gruppe aber das wichtigste ist, dass der Support der Mannschaft im Vordergrund steht, ob wir dann irgendwelchen Ultrá-Poser-Idealen entsprechen ist uns relativ egal. Wir investieren viel Freizeit für den Verein, nehmen 1000km-Auswärtsfahrten auf uns und stehen G.A. BUBI immer zur Seite. Wir sehen uns deshalb insgesamt als Ultrágruppe, ob sich dabei jedes einzelne Mitglied als Ultrá sieht bleibt aber jedem selbst überlassen.

Gimp: Was heißt Ultrà für euch, wie kommt das in eurer Gegend so an?
BGR: Ultrá bedeutet für uns den Verein bei den Spielen aktiv zu supporten wobei dies aber auch während der Freizeit nicht aufhören sollte. Gegebenenfalls sollte auch Unzufriedenheit, Kritik oder Lob zum Ausdruck gebracht werden. Ultrá wird z.T. automatisch zu einem Lebensstil, da man versucht seine Arbeitszeiten, Studium, Beziehungen, usw auf den Spielkalender anzupassen.
Hierzulande wissen wenige "normale" Leute etwas über Ultras, diejenigen die sich aber dafür interessieren sehen Ultras, im positiven Sinne, einfach als aktive , lautstarke Fans des jeweiligen Vereins an.

Gimp: Die Farben eures Vereines sind (schwarz)-rot-gelb! Kauft ihr euch der Einfachheit halber manchmal Deutschland-Merch? ;)
BGR: Ja sicher, der WM-Schlussverkauf kam uns dabei genau richtig. Frei.Wild belieferte uns nach ihrem fabelhaften Konzert auf der Berliner Fanmeile mit tausenden G.A. BUBI Fanartikeln ;)

 Gimp: Die meisten Ultrá-Gruppen haben Kontakte und Freundschaften zu anderen Gruppen. Wie sieht das bei euch so aus? Wie ist es dazu gekommen?
BGR: Seit 2007 gibt es eine sehr enge Fanfreundschaft mit der "Curva Sud Obermais" einem Stadtteilclub aus Meran. Neben dem gleichen Gründungsjahr, verbindet uns die antirassistische/antifaschistische Grundhaltung. Bei jedem Spiel ist mittlerweile die jeweils andere Gruppe vertreten. Durch diese Fanfreundschaft sind auch sehr gute private Freundschaften entstanden. Eine weitere Freundschaft entstand mit den "Vienna Wanderers" durch zwei BGR-Mitbegründer , die seit einigen Jahren in Wien leben, sowie die Freundschaft zu den "Virtus Fans" aus Verona , durch Privatkontakte zu dem Sänger der Streetpunk-Band "Los Fastidios". Einzelne Kontakte gibts es noch zu Wacker Unser aus Innsbruck, Filmstadt Inferno 99, und Ultrá Sankt Pauli.

Gimp: Habt ihr auch Feinde?
BGR: Nicht wirklich, es gibt in der Liga keine andere organisierte und ernstzunehmende Ultrágruppe.

Gimp: Hierzulande leiden viele Gruppen unter starker Repression! Wie sieht das bei euch aus?
BGR: Repression? Ich denke jede andere Gruppe würde gerne mit unserer Situation tauschen, die einzigen Einschränkungen sind manchmal gelangweilte Carabinieri (Polizei) welche uns Bier im Stadion verbieten wollten.

Gimp: Wir sind Freaks? Und ihr?
BGR: Schuldig! Lange Auswärtsfahrten und immer nur Fußball im Kopf, wird zumindest von nicht Brigata-Mitgliedern in unserem Freundeskreis, als total verrückt angesehen.

Gimp: Unpolitisch ist bei uns nicht so angesagt! Was ist eure Einstellung dazu?
BGR: "Unpolitische" Haltung wird oft als Deckmantel für zweifelhafte politische Einstellungen missbraucht, was auf keinem Fall zu tollerieren ist und wer auch nur mit annähernd geöffneten Augen durch die Welt geht kann nicht unpolitisch sein, mit der ganzen Scheiße die immer wieder abgeht. Wir waren seit unserer Gründung immer antirassistisch/antifaschistisch und haben das auch immer offensichtlich zum Ausdruck gebracht, also war das bei uns nie ein Thema.

Gimp: Wie sieht eure politische Praxis aus?
BGR: Schon vor der Gründung der BGR haben wir uns immer gegen das braune Pack im Land gewehrt, dabei hat sich auch bis Heute nichts geändert! Wir gehen auf Demos, und machen im und auserhalb vom Stadion kein Geheimnis aus unserer politischen Einstellung. Es gibt auch Aktionen um unsere Mitglieder zu gewissen Themen in diesem Bereich besser aufzuklären.
Mitglieder der BGR haben die erste Antifa in Südtirol mitbegründet, die z.T. viel wichtige Aufklärungsarbeit leistet. Ein weiterer Verdienst ist die Neueröffnung des Kulturclubs "Ost-West", die einzige autonom verwaltete, alternative Einrichtung im Land.

Gimp: Ihr habt die “S.T.A.R. - South Tyrol Against Racism”- Gruppe ins Leben gerufen. Wer ist das, was ist das und was macht ihr?
BGR: Das S.T.A.R.-Bündnis ist ein Zusammenschluss von der Brigata Giallorossa und der Curva Sud Obermais. Unter diesem Namen treten wir z.B. seit 2008 bei den Mondiali Antirazzisti, bei Demos und anderen Veranstaltungen auf. Wir können dadurch auf Demos als größere geschlossene Gruppe auftreten. Durch den Namen "South Tyrol Against Racism" werden auch ansonst uninteressierte "Normalos" auf dieses Thema aufmerksam gemacht.

Gimp: Könnt ihr kurz die spezifische Situation für Antifas in Südtirol erklären! (Stichwort: Deutsche Nazis/Italienische Faschisten)
BGR: Südtirol ist ein Land voller sozialer Spannungen die auf das Ende des 1.Weltkriegs zurückgehen. Auch wenn sich Vieles gebessert hat, gibt es diese Spannungen zwischen Teilen der deutsch- und der italienischsprachigen Sprachgruppen im Land. Auch rechtsradikale Gruppen machen vor dieser Trennung keinen Halt. Es gibt viele deutschsprachige Neonazis, die nach vielen Verhaftungen im Jahr 2008 jedoch etwas in den Hintergrund getreten sind. Beängstigende Entwicklungen gibt es bei den italienischen Rechtsradikalen. Die Organisation "CasaPound", die sich offiziell(!!!) als Faschisten des 3. Jahrtausends bezeichnen, hat hier einen großen Zuwachs. Bei einer Demo für den Erhalt faschistischer Relikte wurden über 1500 "CasaPound"-Anhänger aus ganz Italien mobilisiert, bei der Gegendemo dazu waren ca. 300 Personen... so viel zum Thema politische Motivation in Südtirol....

Gimp: Viele Leute hier kennen (und hassen) die Band Frei.wild, die aus eurer Gegend kommt. Wie ist das bei euch?
BGR: 1. Wir hassen Frei.Wild! Eigentlich schon seit wir diese Band kennen. Wir wussten schon lange über die Vergangenheit der Band bescheid, wussten auf welchen Konzerte sie hier spielen bzw. welche Leute da vorwiegend im Publikum sind. Die Band ist hier aber auch erst nach dem großen Erfolg in Deitschland richtig populär geworden, davor hatten die hier kleine und sehr wenige Konzerte.
Außerdem kotzt uns der Werdegang der Band an, die sich drehen wie eine Fahne im Wind immer auf der Suche nach dem großen Erfolg. Wenn dazu noch Aussagen wie "Frei.Wild gegen Rassismus und Extremismus" und "wir sind weder Nazis noch Antifanten" in einem gleichen Atemzug genannt werden, steigert das deren Ansehen nicht unbedingt.

Gimp: Wie steht es generell mit Subkulturen bei euch. Bei Sankt Pauli kann man sich da ja kaum retten vor ;) Seid ihr eher zeckige Punker oder schwingt ihr lieber das Elektronische Tanzbein?
BGR: Viele der BGR sind oder waren vom Anfang an in verschiedenen Subkulturen. Auch wenn bei Manchen diese strickte Einordnung in eine Subkultur nicht mehr das Wichtigste ist kann man trotzdem sagen dass vorwiegend Ska, Reggae, Soul, Punkrock,... aus den Boxen kommt.

Gimp: Vor kurzem kam euer Fanzine "il maledetto" zum ersten Mal raus. Wieso habt ihr erst nach sechs Jahren ein Fanzine raus gebracht?
BGR: Wir waren immer der Meinung dass es bei einer so kleinen Gruppe keinen Sinn macht ein Fanzine harauszubringen. Wir haben das Meiste untereinander beredet, dabei soll sich auch nichts ändern, aber in der letzter Zeit hat sich jedoch öfters gezeigt dass die interne Kommunikation verbessert werden könnte, auch um alle Mitglieder in bestimmte Themen besser miteinbeziehen zu können. "il maledetto" ist ein Versuch den Informationsaustausch innerhalb der Gruppe zu verbessern.

Gimp: Und was steht da so drin?
BGR: Im "maledetto" sind Spielberichte zu Heim und Auswätsspielen, Groundhoppingberichte, Neuigkeiten und Diskussionsgrundlagen rund um die eigene Fanszene, Termine und es wir über polititische Themen aufgeklärt.

Gimp: Mittlerweile kennen sich ja eine handvoll Leute von USP und der BGR ja schon ganz gut. Was denkt ihr so zu USP, Sankt Pauli und diesem ganzen Kosmos (und jetzt nicht rumschleimen)?
BGR: Von einer einheitlichen Meinung der BGR zum FCSP zu sprechen ist kaum möglich. Es gibt verschiedene Einzelmeinungen von denen sich manche vielleicht gar nicht mit dem FCSP beschäftigen, von Anderen wiederum sicherlich ein Interesse bzw. eine Sympathie ausgeht. Auch in Südtirol gibt es aber Leute die sich bei "EMP" St.Pauli Merch bestellen, nicht wissen, dass es ein Fußballverein ist und es aus Image/Modegründen anziehen...aber das ist für euch sicherlich kein neues Phänomen ;)
Kurz gesagt: Stil, Einstellung, (Selbst-)Ironie, Kritik und optisches sowie akkustisches Auftreten von USP ist sicher eine positive Bereicherung für die gesamte Fankultur, die uns auch anspricht und manche Inspiration gibt.

Gimp: Die wohl aufdringlichste Frage zum Schluss! Was macht man als Jugendlicher/Halbstarker eigentlich so in Südtirol? Touristen führen, Äpfel pflücken oder doch ganz kuhle Sachen?
BGR: Bergsteigen, Holzhacken und Pilze sammeln steht natürlich auch noch auf dem Programm... Nein, im Ernst, Big City Life gibts in Südtirol nicht, für gute Konzerte muss man auch mal bis nach München/Bergamo/... fahren. Durch den Einsatz, unter anderem durch unsere Leute, werden aber auch hier immer wieder gute Konzerte, Nighter und Open Airs organisiert. Dazu gibts ja noch unseren geliebten Ost-West Club.

Gimp: Danke für das Interview. Auf baldiges Wiedersehen.
BGR: Danke euch für das ITW und vor allem für eure Gastfreundschaft bei unseren Besuchen in HH. Bis bald! Cheers